Geschichte der Nanotechnologie
Nano haben die meisten schon einmal gehört - in Science Fiction-Filmen oder in den letzten Jahren verstärkt auch in den Medien in Zusammenhang mit Lebensmitteln oder anderen Produkten. Aber was genau ist Nanotechnologie, und wer kam überhaupt auf die Idee, die Eigenschaften winzig-kleiner Teilchen zu erforschen?
Der Begriff der Nanotechnologie leitet sich in der Weltgeschichte aus dem Altgriechischen von nanos, dem Zwerg, ab. Der Sammelbegriff beschreibt alle Forschungsgebiete im Bereich der Einzelatome bis zu Strukturgrößen von maximal 100 Nanometern. Ein Nanometer entspricht einem Milliardstel Meter. Die Besonderheiten der Forschung im Nanobereich stellen die veränderten Eigenschaften der Objekte in diesem Größenbereich dar. Volumeneigenschaften treten gegenüber den quantenphysischen Gesetzmäßigkeiten in den Hintergrund und ermöglichen damit bisher ungekannte Effekte. Die Nanotechnologie wird inzwischen in allen technologischen Forschungsgebieten angewandt. Dazu zählen beispielsweise die Chemie, die Halbleiterindustrie, der Maschinenbau und die Lebensmitteltechnologie.
Der Ursprung der Nanotechnologie
Die im letzten Jahrzehnt so populär gewordene Nanotechnologie hat ihren Ursprung bereits 1959 gefunden, als der amerikanische Physiker und spätere Nobelpreisträger den Vortrag "There's Plenty of Room at the Bottom" hielt. Er befasste sich darin mit der möglichen Beeinflussung von Molekülen in der Größenordnung der Atome. Der Begriff der Nanotechnologie selbst wurde dann erstmals von dem japanischen Professor Norio Taniguchi 1974 in einem Beitrag zu Halbleiterprozessen und den möglichen Anwendungsmöglichkeiten benutzt. Die dadurch bei den Forschern angeregte Fantasie mündete dann 1981 zunächst in die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops, wofür die Physiker Binning und Rohrer 1986 den Nobelpreis erhielten. Das Rastertunnelmikroskop erlaubte dann den rasanten Erfahrungsgewinn im Bereich der Quantenmechanik, indem Atome erstmals sichtbar wurden. Der Wissenschaftler Eric Drexler entwickelte Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre revolutionäre Ideen für die Schaffung und Konstruktion von komplexen Maschinen sowie Materialien aus einzelnen Atomen. Diese Visionen motivierte viele Wissenschaftler seitdem, sich mit der Geschichte und der Entwicklung der Nanotechnologie sowie den damit verbunden Möglichkeiten kritisch auseinanderzusetzen.
Wofür wird die Nanotechnologie eingesetzt?
Heute führt die Nanotechnologie dank verbesserter Werkstoffe und Oberflächen zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit von medizinischen Diagnose- und
Therapiegeräten, Textilien, Haushaltsgeräten und nicht zuletzt von Kommunikationstechnologien.
Für den Verbraucher ist kaum zu erkennen, wo die Nanopartikel zum Einsatz kommen. Der sogenannte Lotuseffekt ist sicherlich als prominenter Vertreter den
meisten Menschen ein Begriff. Selbstreinigende Oberflächen verbessern die Reinigung von Autolacken oder Fenstern. Die diesen Beschichtungen zugrunde liegenden
Additive kommen auch bei Farben und beispielswiese Dachziegeln zum Einsatz, um die Verwitterung und Alterung möglichst lange hinauszuzögern.
Aber auch in vielen anderen Dingen des alltäglichen Lebens findet sich Nanotechnologie. Wasserfeste mit Nanopartikel beschichtete Kleidung, Sonnencremes mit
Wirkstoffen zur Verbesserung des UV-Schutzes, und Speiseöl mit in Nanopartikeln verpackten Vitaminen sind nur einige Beispiele. Fertigsuppen und Kochsalz rieseln
dank Nanotechnologie verbessert aus der Verpackung. Auch die kosmetische Industrie bedient sich der Nanoteilchen, um bisher ungekannte Eigenschaften in Cremes
und Pulvern zu entwickeln.
Die Sportindustrie stellt mit verbesserten Materialien heute ultraleichte Tennisschläger, Ski oder Fahrräder her. Golfbälle erlauben aufgrund der
Nanobeschichtung und der damit verbundenen Verbesserung der Flugeigenschaften ein präziseres Spiel.
Immer kleinere Mobiltelefone und Computer sind zum Teil ebenfalls auf den Einsatz der Nanotechnologie und deren Erfolgsgeschichte zurückzuführen. Auch die
immer bessere Qualität der Beleuchtung von Displays in Navigationsgeräten oder Smartphones hängt direkt mit optimierten Lichtquellen im Nanoformat ab.
Reifen werden dank Einsatz von Nanopartikeln widerstandsfähiger und die Abrolleigenschaften werden verbessert. Dies verlängert die Lebensdauer und trägt zu einem
reduzierten Treibstoffbedarf bei.
Dieser Überblick zeigt deutlich, dass es in der Zwischenzeit zahlreiche Anwendungen in allen Bereichen des Lebens gibt - und es kommen wöchentlich neue
hinzu.
Trends
Die Nanotechnologie eröffnet ein nahezu unbegrenztes Feld der Forschungstätigkeit. Vor allem in der Medizin bietet die Nanotechnologie spannende Möglichkeiten.
Neuartige Diagnoseverfahren und Therapien versprechen weitgefächerte Entwicklungspotenziale. So können zum Beispiel neuartige Medikamente entwickelt werden.
Unterstützt von der fortschreitenden Miniaturisierung in der Elektronikindustrie forschen interdisziplinäre Forscherteams an sogenannten Nanobots. Heute schon
verfügbare Prototypen sollen weiter unter die Größe von Blutkörperchen schrumpfen und sich im menschlichen Organismus fortbewegen können. Diese Nanobots könnten
dann Medikamente transportieren und gezielt an den Krankheitsherden dosieren. Beschichtungen der Oberflächen aus Nanopartikeln bieten die Perspektive
langlebigere Implantate für den menschlichen Körper zu entwickeln.
Die Entwicklung von langen faserartigen Geräten, die sich in den menschlichen Organismus einführen lassen, wäre die konsequente Fortsetzung der minimal-invasiven
Chirurgie. Substanzen könnten gezielter verabreicht und beispielswiese Gewebeproben verabreicht werden.
Auch der klassische Maschinen- und Anlagenbau will von innovativen Materialien profitieren, deren Strukturen verbesserte Eigenschaften bei der Bearbeitung und im
Einsatz aufweisen. So werden heute die Rotoren von Windrädern mit einer speziellen Beschichtung ausgeführt, was sich positiv auf den Wirkungsgrad auswirkt.
Der immer im Fokus stehende Bereich der Energieerzeugung und -speicherung entwickelt neue Systeme, um den Energiehunger aus bisher ungenutzten Quellen zu
stillen. Neuartige Konzepte zur Energiegewinnung beispielsweise aus der Umgebungstemperatur oder der Luftbewegung kombiniert mit der optimierten Kapazität
der Speichermedien versprechen eine effizientere Nutzung der in der Natur vorhandenen Energie.
Die Lebensmittelindustrie forscht an Lebensmitteln, die aufgrund der Nanopartikel beispielsweise länger haltbar sind oder je nach Temperatur und Dauer im
heimischen Ofen unterschiedliche Geschmacksrichtungen annehmen.
Aber auch in der Landwirtschaft wird die Nanotechnologie zur Entwicklungen im Bereich des biologischen Pflanzenschutzes eingesetzt.
Kritische Stimmen
Ende der 1990er Jahre mischten sich in Begeisterung für die neue Technologie auch kritische Stimmen, die vor den Gefahren warnten. Verschiedene Studien und
Publikationen beleuchteten mögliche Auswirkungen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Allerdings lassen sich angesichts der Begrenztheit des
menschlichen Wissens über die zukünftigen Entwicklungen und den damit verbundenen Potenzialen keine allgemein anerkannten Empfehlungen aussprechen.
Vor allem die Auswirkungen, die eine Aufnahme der Nanopartikel über die Nahrungskette in Lebewesen verursachen, lassen Kritiker laut werden. Zwar bedeute
die Anreicherung der Partikel nicht zwangsläufig eine Schädigung der Organismen, eine Unsicherheit verbleibt jedoch in Anbetracht der bisher nur
spärlich vorliegenden Langzeiterfahrungen. Kritiker äußern Bedenken, dass die Nanopartikel ähnlich wie Asbest negative Auswirkungen auf
den Mensch nach sich ziehen könnten. Amerikanische Forscher der University of Massachusetts veröffentlichten vor wenigen Jahren eine Studie, die
nachweist, dass Nanopartikel die DNA schädigen und die Entstehung von Krebs auslösen können. Sie empfehlen hohe Sicherheitsstandards für die
Fertigungsverfahren und warnen vor einer Kontamination der Umwelt mit den Nanopartikeln. Als Konsequenz begrenzen Versicherungsunternehmen die maximal
abzudeckende Schadenshöhe bei Versicherungsverträgen in der Nanotechnologie. Sie fordern internationale Sicherheitsstandards und Langzeitstudien.
Den sich mit dem Einsatz der Nanotechnologie bietenden positiven Entwicklungsmöglichkeiten stehen die bisher nicht beantworteten Fragen rund um die Gefahren
und Risiken gegenüber. Deshalb gilt es, das Thema Nanotechnologie auch im gesellschaftlichen Kontext zu entwickeln. Die Bundesregierung hat daher 2008 die
sogenannte Nanokommission eingesetzt. Sie setzt sich aus Vertretern der Wirtschaft, Verbraucherschutz- und Naturschutzverbänden sowie Vertretern aus
verschiedenen Ministerien zusammen und bringt so die wichtigsten Interessengruppen zusammen. Die Kommission beschäftigt sich mit möglichen Chancen aber
auch Risiken der Nanotechnologie für Umwelt und Gesundheit. In verschiedenen Arbeitsgruppen werden detaillierte Fragen zum Verbraucher- und Umweltschutz
diskutiert, Aspekte rund und um die Sicherheit erörtert sowie eine gesellschaftliche Positionsbestimmung im Umgang mit der Nanotechnologie erarbeitet.
Nanotechnologie in Zahlen
1959 Richard P. Feynman hält Vortrag There is plenty of Room at the Bottom
1974 Norio Taniguchi definiert den Begriff Nanotechnologie
1981 Gerd Binnig und Heinrich Rohrer entwickeln Rastertunnelmikroskop
1985 Entdeckung von stabilen Kohlenstoffmolekülen, heute Buckyballs genannt
1986 Gerd Binnig entwickelt mit Calvin Quate und Christopher Gerber Rasterkraftmikroskop
1986 Physiknobelpreis für Gerd Binnig & Heinrich Rohrer: Rastertunnelmikroskops
1986 Eric Drexler veröffentlicht Engines of Creation
1989 Don Eigler wendet Rastersondenverfahren an
1991 Entdeckung mehrwandiger Kohlenstoff-Nanoröhren
1991 Eric Drexler veröffentlicht Unbounding the Future